Die ersten eigenen Arbeiten von Willi Pistor waren in den 1960er Jahren noch stark dekorativ geprägt. Immer mehr verzichtete er auf schlifftechnische Bravour „zugunsten der Verdichtung des Werks in klaren stereometrischen Formen […]. In ihrer Konzentration auf rein ästhetische Problemstellungen lösen sich Willi Pistors Arbeiten aus den Bindungen kunsthandwerklicher Traditionen, ohne jemals die dem Glas eigenen Gesetze zu leugnen“, wie Helmut Ricke schreibt. Pistor arbeitete nun mit hochbrechenden Spezialgläsern, wie sie für optische Geräte genutzt werden. Er erkannte die Gefahr des künstlerischen Substanzverlustes durch technische Perfektion und der Überfrachtung durch optische Effekte und beschränkte sich zunehmend auf wenige, oft fein differenzierte Gestaltungselemente. Anders als die meisten seiner tschechoslowakischen Kollegen, die das gleiche Ausgangsmaterial nutzten, kontrastierte Pistor die glatt polierte Außenform häufig durch ein Innenleben. Dafür nutzte er eine Schmelzschlifftechnik, die er mit Josef Welzel (1927–2014), einem Kollegen von der Glasfachschule Hadamar, entwickelt hatte: Das abgewogene optische Glas wurde über Schamotteformen eingeschmolzen. Eine Werkgruppe besteht aus Positiv- und Negativformen, die nach dem Abkühlen erst geschliffen und dann zusammengeschmolzen sind. Beim Verschmelzen entstehen an der Nahtstelle Blaseneinschlüsse, die durch die Beschaffenheit des Schliffs genau kalkulierbar sind. Der farblose Glaskörper erhält so Volumen und wird als plastischer Körper erfahrbar. Eine zweite Gruppe sind mehrteilige Objekte, die ihre Wirkung aus den räumlichen Bezügen der Einzelteile zueinander und dem Kontrast polierter und mattierter Flächen beziehen.
Eine ausführliche Biographie zu Willi Pistor lesen Sie hier.