Die Glassammlung der
Hamburger Achilles-Stiftung

Neben der Leidenschaft für den Jugendstil hatte Edith Achilles schon seit den 1960er Jahren ein Auge auf das zeitgenössische Glas geworfen und erwarb unsystematisch Objekte, die ihr gefielen: Als erstes 1968 zwei Glaskuben und eine Vase, die Oiva Toikka und Sven Palmquist für Nuutajärvi und Orrefors entworfen hatten. In den 1970er Jahren kamen Arbeiten von Erwin Eisch und Jack Ink hinzu, genauso wie von Isgard Moje-Wohlgemuth und dem Dänen Finn Lynggaard, die die Sammlerin auf den Messen im Museum für Kunst und Gewerbe in Hamburg kennen lernen konnte.

Schon in dieser Zeit waren Edith Achilles besondere Entwicklungen im zeitgenössischen Glas aufgefallen: Die Designer der noch händisch arbeitenden Manufakturen experimentierten viel mit Einzelstücken und limitierten Kleinserien. Kunsthandwerker erarbeiteten sich zunehmend künstlerische Perspektiven und auch Künstler entdeckten das Glas als ein Material für ihre Arbeit. Das Glas fand in vielerlei Zwischenschritten seinen Weg vom Gebrauchgut zur freien bildenden Kunst. Bahnbrechende künstlerische Entwicklungen gingen seit den 1950er Jahren von der Zusammenarbeit von Gestaltern mit Manufakturen in der Tschechoslowakei aus. In den 1960er Jahren entstand in den USA die internationale Studioglasbewegung, die zuerst nur die Arbeit mit Glashütten en miniature im Künstleratelier meinte und später alle Glastechniken umfasste.

Die 1980er Jahre brachten nur geringe Ankäufe an modernem Glas, meist am Rande von Reisen direkt von den Künstlern erworben. In den 1990er Jahren nahm der Erwerb von zeitgenössischem Glas dann langsam Fahrt auf. Mit jedem neu erworbenen zeitgenössischen Glas reifte die Erkenntnis, es hier mit einem äußerst vielfältigen und faszinierenden Thema zu tun zu haben. Deutsche Künstler wie der nach Australien ausgewanderte Klaus Moje, Gabriele Küstner oder Karl R. Berg kamen nun ins Blickfeld. Es gab erste Ankäufe von Arbeiten tschechischer, französischer und amerikanischer Künstler wie Bohumil Eliáš, Robert Pierini und Stephen Rolfe Powell.

Nachdem Edith Achilles 2004 auf einer Auktion zwei große Arbeiten des in Frankreich lebenden Polen Cesław Zuber erwerben konnte, einem Spontankauf, reifte in ihr der Entschluss, neue Pfade zu betreten und die Jugendstil-Sammlung zu veräußern: 2007 wurde sie bei Quittenbaum in München versteigert. Die leidenschaftliche Aufmerksamkeit von Edith Achilles galt seitdem dem Studioglas und der zeitgenössischen künstlerischen Arbeit mit Glas, die sie nun systematisch zu sammeln begann. Der Tod ihrer Tochter Barbara im Jahr 2010 und die darauf folgende Gründung der „Barbara Achilles-Stiftung“ intensivierten diese Sammeltätigkeit, denn nun war der Zusammenhalt der Sammlung und ihre Öffentlichkeitswirksamkeit dauerhaft abgesichert. Zwischen 2010 und 2020 hat sich die Sammlung von 80 Arbeiten von 40 Künstlern und Manufakturen entwickelt zu fast 300 Arbeiten von 140 Künstlern. Viele zentrale Positionen bedeutender Künstlerpersönlichkeiten und von Newcomern aus aller Welt haben Eingang in die Sammlung gefunden.

Den inhaltlichen Schwerpunkt richtete Edith Achilles in den letzten Jahren immer stärker auf zeitgenössische Arbeiten. Sie liebte „das schwere Glas“, wie sie es selber sagte, seine intensive Farbigkeit und interessierte sich zunehmend für großformatige Stücke, die in Formschmelztechniken gefertigt sind. Abstraktion lag ihr dabei näher als Figürliches. Sie sammelte international mit einem Schwerpunkt bei Künstlern aus Tschechien und der Slowakei. Diese Entwicklung soll fortgesetzt werden – allerdings ohne den bisher ebenfalls bestehenden Blick auf andere Regionen und auf frühe Arbeiten der Studioglasbewegung bzw.  unikale Arbeiten und Kleinserien von Manufakturen seit dem Jugendstil aufzugeben.

Achilles-Stiftung