Ivo Rozsypal (geb. 1942 in Brno, Tschechoslowakei) arbeitete nach dem Besuch der Glasfachschule Kamenický Šenov von 1959 bis 1961 als ausgebildeter Glasmaler zunächst im Glaswerk Borske Sklo in Novy Bor. Für das Studium in der Glasklasse von Stanislav Libenský zwischen 1966 und 1973 an der Hochschule für Angewandte Kunst in Prag erhielt er ein Stipendium des staatlichen Handelsunternehmens Skloexport. Im Gegenzug verpflichtete sich Rozsypal, nach seinem Abschluss für fünf Jahre als fest angestellter Entwerfer in einer Fabrik zu arbeiten. Von der Ausbildung nahm er wie viele seiner Kolleginnen und Kollegen das breite Interessengebiet mit, dem er nachgeht. Er ist freier Künstler, der malt, zeichnet und als Bildhauer Glasskulpturen fertigt. Auch dem Entwurf von Gebrauchglas ging er weit länger nach, als es seiner Verpflichtung wegen des Stipendiums entsprochen hätte. Zudem nimmt er immer wieder Aufträge für architekturbezogene Arbeiten an, wie die Beleuchtung des Theaters in Nový Bor oder einen Brunnen in Teplice. Seine geschliffenen Skulpturen mögen auf den ersten Blick vermeintlich an die kühle Rationalität der optischen Skulptur der Cigler-Schule anschließen. Das weist Rozsypal jedoch weit von sich. Seine Formsprache, die sich durch alle Schaffensbereiche zieht, ist singulär und ohne Vorbild im tschechischen Glas. Möglicherweise ist das auf seine Studienaufenthalte in Frankreich und Deutschland zurückzuführen. 1968 bis 1969 studierte er an den Kunsthochschulen in Caen und anschließend bis 1970 in Düsseldorf, wo er die aktuellen westlichen Kunstströmungen aus eigener Anschauung kennen lernen konnte. Miroslav Klivar weist hier insbesondere auf die Konzeptkunst hin und sieht Rozsypals Arbeiten als einen „lyrischen Konstruktivismus“. Typisch für seine Arbeiten sind Reihungen und Schichtungen. Peter Schmitt spricht von einem Prinzip der Addition. In seinen Entwürfen für Gebrauchsgläser wie Vasen, Krüge, Becher oder Platten nutzt er streng geometrische Formen und kräftige Farben, die er in ihrem Eigenwert belässt, ohne eine geschlossene Gesamtform anzustreben. Zum Beispiel reiht er bei Vasen Ornamentbänder übereinander, deren Binnenstruktur zwar auf ähnliche Art schwingt, die aber unvermittelt nebeneinander stehen. Frühe freie Arbeiten sind oft durch Musik inspiriert. Es sind Reihungen der einzelnen Töne eines Akkords, an denen wiederum die jeweiligen Schwingungswellen angeordnet sind. Solche gereihten Linien finden sich in vielen seiner Arbeiten. Sie sind auch die Grundlage für sein Schaffen nach dem Schritt in die freie Tätigkeit als Künstler. Seit der Mitte der 1980er Jahre schichtet Rozsypal schwarzes und weißes Opaxitglas zu streng geometrischen Skulpturen, deren geschliffene und polierte Oberflächen eine technische Nüchternheit ausstrahlen. Diagonalbewegungen schaffen Kontraste, die häufig durch Einschnitte und Farbbänder in einer der Grundfarben akzentuiert sind. Gelegentlich sind auch gegossene Elemente aus farblosem Glas mit Einschlüssen von Blasen, Schlieren und Farbbändern eingearbeitet, zum Teil auch größere farblose Scheiben, die über den eigentlichen Grundkörper hinausreichen. Rozsypal sagt selbst, dass es ihm um einen veränderten Bezug der Skulptur zum Raum gehe. Er sieht sie nicht als hermetisch abgeschlossene Form in einem unabhängigen räumlichen Umfeld, sondern ihn interessiert der Bezug des Volumens der Skulptur zur Umgebung. Mit den schräg angeschnittenen Schichtungen, den Einschnitten, den Diagonalbewegungen und eingefügten Scheiben öffnet er den inneren Raum und alle Dimensionen seiner Plastiken gewissermaßen bis ins All und strebt nach einem Ausdruck der Unendlichkeit, der Relativität der Materie und der Bewegung, für die er neue Maßstäbe sucht. So werden die Kunstwerke zu Instrumenten, die zwischen Innen und Außen vermitteln, zu Kraftzentren, die Energie aufzunehmen und wieder abzugeben vermögen. Der Obertitel einer dieser Werkgruppen lautet „Luft, Wasser, Erde, Zivilisation“. Die vier Elemente sind eine Grundvoraussetzung der Existenz allen Lebens und aller Dinge. Durch die universellen Gesetzmäßigkeiten ihres Wirkens ist der kosmologische Bezug der Skulpturen hergestellt. Indem im Titel das Feuer durch die Zivilisation ersetzt ist, eines der Ergebnisse des Feuers, wie Peter Schmitt meint, spräche Rozsypal aus, dass es ihm auch um die Rolle des Menschen im natürlichen Gefüge ginge, um sein Forschen und sein Potential zur Verbesserung und zur Zerstörung des Bestehenden. Und gleichzeitig findet er mit dem Titel eine überaus poetische Umschreibung für sein Material, das Glas: Im Rahmen des zivilisatorischen Prozesses im Feuer aus Erde entstanden, gleicht es geschmolzen dem Wasser und mit seiner klaren Transparenz der Luft. Uwe Claassen