Susanne Precht (geb. 1960 in Halle an der Saale, Deutschland) kam durch einen Zufall zum Glas. In ihrer Jugend hatte sich ihr Talent im Zeichnen gezeigt, so dass sie, nachdem die Familie zwischenzeitlich nach Greifswald umgezogen war, sich 1978 im heimischen Halle für ein Studium an der Hochschule für Industrielle Formgestaltung Burg Giebichenstein bewarb. Nach dem Eignungstest nahm sie ohne jegliche Vorkenntnisse das empfohlene Studium der Glasgestaltung auf. Damit waren in Halle die Glasmalerei und die Gestaltung von Glasfenstern gemeint. An der „Burg“, wie die Hochschule abgekürzt bezeichnet wird, lernte sie ihren späteren Mann Ulrich Precht, Sohn des Studioglas-Pioniers Volkhard Precht, kennen. In Lauscha war inzwischen die Erkenntnis gereift, dass Talent und eine handwerkliche Ausbildung an der Berufsfachschule Glas für eine Künstlerkarriere nicht mehr ausreichen. In der DDR gab es jedoch, wie in vielen anderen Ländern auch, keine Möglichkeit „Glaskunst“ zu studieren. An der „Burg“, die in den 1970er Jahren eine überragende Bedeutung als treibende Kraft für die hohe künstlerische Qualität im gesamten Kunsthandwerk und Design der DDR erlangte, hatte man das erkannt. Obwohl die Hochschule Industriegestalter ausbilden sollte, ermöglichte Brigitte Mahn-Diedering in ihrer materialübergreifenden Gefäßgestalterklasse es denjenigen, die nach einer künstlerischen Ausbildung im Glas suchten, diese Interessen mit zu verfolgen. Das Studienangebot nahmen am Ende der 1970er Jahre und in den 1980er Jahren vor allem eine Reihe von Söhnen Lauschaer „Altmeister“ wie Henry Knye (geb. 1960) oder eben Ulrich Precht (geb. 1956) wahr. Die „Burg“ entwickelte sich so zu einer führenden Ausbildungsstätte für die künstlerische Glasgestaltung und nimmt diese Position als heutige „Hochschule für Kunst und Design“ auch im wiedervereinigten Deutschland immer noch ein. Nach ihrem Studium gingen Susanne und Ulrich Precht 1983 nach Lauscha. Susanne Precht konnte sich hier als Flachglasgestalterin mit großer Reputation in Ost- und Westdeutschland etablieren und schuf seitdem zahlreiche Fenster und Foyers für Kirchen, Krankenhäuser, Firmen und Privatleute, u.a. die Fensterrose der Thomaskirche in Erfurt und das Foyer des Evangelischen Landeskirchenamts von Westfalen in Bielefeld. Kennzeichen ihrer Bildsprache sind eine reduzierte Farbpalette, in der das Blau, kontrastiert von wenig Rot und Weiß, dominiert, und die Aufnahme von Wörtern und ganzen Texten in schwarzer Schrift in das Bild. So ergeben sich starke Farbkontraste. Als zweites Standbein ist sie auch in die Arbeit am Studioofen der Familie Precht eingestiegen. Gemeinsam mit ihrem Mann Ulrich bildet sie ein Team, bei dem gelegentlich kaum mehr unterschieden werden kann, wem eine einzelne Arbeit zugeordnet werden kann. Die sicherste Zuordnung ermöglicht die Frage, wer am meisten Einfluss auf das Motiv genommen hat. Beide haben die Folientechnik von Volkhard Precht aufgegriffen und eigenständig weitergeführt. Sie bemalen und beschriften hauchdünne Glasscherben, die sie als Folien gemeinsam mit Blattgold und -silber mit dem Handbrenner auf das entstehende Gefäß oder Objekt aufschmelzen. Im Gegensatz zu den Motiven des Vaters weisen ihre Arbeiten eine stärker metaphorische und erzählerische Auffassung auf. Susanne Precht sind dabei mit ihren Porträtgefäßen, die sie inzwischen skulptural weiterentwickelt hat, Arbeiten von enormer lyrisch-suggestiver Ausstrahlung gelungen. Sie sind von farblosen Glasfäden umsponnen. Einigen hat sie auch Engelsflügel und Hahnenkämme beigefügt, was sie geradezu als Fabelwesen erscheinen lässt. Der Titel der Serie „Kokon“ verweist auf die Verwandlung von Raupen zu Schmetterlingen. So werden diese Arbeiten zu höchst poetischen Metaphern für die Entwicklungsfähigkeit von uns Menschen. Uwe Claassen