Vladimíra Klumpar (geb. 1951 in Rychnov nad Kněžnou, Tschechoslowakei) ist eine sensible Beobachterin ihrer Umgebung. Inspiration findet sie in der Natur und in den urbanen Architekturen der Vergangenheit und unserer Gegenwart. Mal sind es die kleinen Sensationen organischer Formen von Blüten, Pflanzensamen oder unter einem Blatt hängender Regentropfen, die sie in ihrer monumentalen Formsprache und tiefgründigen Farbigkeit überhöht. Und dann führt sie uns die repetitive Geometrie unserer Städte vor Augen mit ihren großen Linien und der sich brechenden Kleinteiligkeit geöffneter und verschlossener Volumina. Der amerikanische Kunsthistoriker William Gains sieht in diesen Arbeiten weniger lesbare Symbole, sondern das Vokabular eines sich entwickelnden Narrativs: „… die Gegenüberstellung von sich entfaltenden visuellen Öffnungen und von Verschlüssen eröffnet einen überzeugenden Dialog zwischen mystischer Optik und Masse“. In den 1970er Jahren studierte eine Generation von jungen Künstlern bei Stanislav Libenský in Prag, die an der Überwindung des noch führenden, inzwischen aber als kalt und steril empfundenen geschliffenen, optischen Glases arbeitete. Klumpar, die 1969 bis 1973 an der Glasfachschule Železný Brod war und anschließend bis 1981 unter Libenský studierte, wurde mit ihrem Talent und ihren kommunikativ-sozialen Fähigkeiten schnell ein anerkanntes Mitglied der Prager Glas-Szene. Sie experimentierte mit Hüttenglas und Formschmelztechniken und war für die klare Tektonik ihrer Arbeiten bekannt. 1982 konnte sie am ersten Internationalen Glassymposium in Nový Bor teilnehmen, wo sie den bereits 1967 in die USA emigrierten Glaskünstler Michael Pavlik kennen lernte. Beide verliebten sich. Der jungen Liebe standen jedoch nicht erteilte Ein- und Ausreisevisa im Wege. Als Klumpar 1984 zur Eröffnung einer Ausstellung ihrer Arbeiten in der Heller-Gallery nach New York reisen konnte, nutzten beide die Gelegenheit und heirateten. Im Februar 1985 emigrierte auch Klumpar in die USA. Hier konnte sie zunächst nicht arbeiten. Ihr Mann hatte sich auf den Glasschliff verlegt und es fehlte ihr an der nötigen eigenen Werkstattausstattung. Zudem kümmerte sie sich um die beiden gemeinsamen Kinder. 1986 richteten beide in der Nachbarschaft von Josh Simpsons Studioglashütte in Shelburne Falls, Massachusetts, eine neue Werkstatt ein. Hier stellten sie auch zwei Öfen für die Arbeit mit Form- und Verschmelztechniken auf. Und nun begann auch Klumpar wieder mit ihrer skulpturalen Arbeit. Da es ihr an geeignetem Glas für die Formschmelze fehlte, verschmolz sie zunächst geschichtete farblose Flachgläser. Zum Teil schliff sie einzelne Flächen, was beim Schmelzprozess zu schleierartigen Bläschenbildungen führt. Zwischen den Schichten sind zudem Blattgold und -silber, Farbglaspuder und farbige Metalloxide eingeschmolzen. So gestaltete sie zumeist ein treppenartiges Innere, das von Mayatempeln inspiriert ist, die sie bei jährlichen mehrmonatigen Aufenthalten in Mexiko gesehen hatte. Diese Tempel-Serie kam 1989 zum Ende, als eine Ausstellung in der Habatat-Gallery in Chicago unmittelbar nach der Eröffnung einem Großbrand zum Opfer fiel. Mit dem Verschmelzen von Flachgläsern hatte Klumpar sich in ihrer Kreativität eingeschränkt gefühlt. Den Einschnitt, den die Vernichtung der ausgestellten Werke bedeutete, nutzte sie, um eine Veränderung ihrer Arbeitsweise zu prüfen. Im Zuge der neuen Freiheiten durch die zeitgleich in ihrer Heimat erfolgte „samtene“ Revolution mit dem Ende des Kommunismus gelang es ihr, über den ehemaligen Kommilitonen Ivan Mareš Farbglas zu beziehen, das für die Schmelze in Gipsformen geeignet war. Nun begann eine ausgeprägte Phase des Experimentierens. Die neuen, in Formen geschmolzenen Arbeiten sind vor allem von Natureindrücken inspiriert: den Formen von Pflanzen und Samenkörnern, der schlanken Eleganz züngelnder Flammen oder der kräftigen, tiefgründigen Farbigkeit Mexikos, wo die Künstlerin und ihr Mann sich inzwischen ein Haus gekauft hatten und die Winter verbrachten. In Mexiko entstand ein zeichnerisches und malerisches Werk, das im Atelier in Shelburne Falls skulptural umgesetzt wurde. Klumpar entwickelte jetzt ihre höchst eigenständige Formensprache. „Es sind poetische Arbeiten, Ausdruck einer geheimnisvollen, überschwänglichen Freude“ an der Natur, wie Pavla Rossini schreibt. Klumpar hatte jedoch kaum Erfahrungen mit den technischen Bedingungen des Schmelzprozesses, so dass zu Beginn zahlreiche Skulpturen beim Kühlen, beim Entfernen der Form oder der Nachbearbeitung zerstört wurden. Durch die Überreste inspiriert begann sie, Glasstücke und den zum Formenbau eingesetzten Gips zu verbinden. Sie nutze vor allem den Kontrast der Materialien, um zu Skulpturen von großer meditativer Kraft zu gelangen. Mal beließ sie den Gips eher rau und mal schliff und behandelte sie ihn, bis er mattsamten und weich wirkt. Über diese Arbeit fand sie auch zu größeren Formaten, die sie in ihrer Werkstatt als reine Glasskulpturen nicht hätte realisieren können. Der Wunsch nach größeren Formaten im Glas war nun aber geweckt und die gestalterische Fähigkeit dazu entwickelt. In Tschechien hatten sich mittlerweile einige Werkstätten etabliert, die Entwürfe für großformatige formgeschmolzene Glasskulpturen realisieren konnten. Bald nach der Jahrtausendwende nahm Klumpar Kontakt zu diesen Firmen auf und arbeitete zunächst mit Sklo Lhotský, später mit Tomáš Málek, Glasika und vor allem mit Ivan Novotný zusammen. 2003 nahmen sie und ihr Mann sich eine Wohnung in Prag, doch schon bald trennten sie sich. Während Vladimíra Klumpar zwischen Prag, dem noch bestehenden gemeinsamen Wohnsitz in Mexiko und den USA, wo ihre Kinder leben, pendelte, entstand ein beeindruckendes skulpturales Werk. Sie entwickelte ihre organischen Naturformen weiter, z.B. mit der monumentalen Plastik „After Rain“, einigen Regentropfen, die unter einem stilisierten Blatt hängen oder einem Schwan mit einem geradezu mystisch-schwebenden Innenleben („Swan“, 2013). Und auch den Wind fängt sie ein mit Arbeiten wie „Blue Ribbon“, das an die fantastischen Verwirbelungen eines Bandes erinnert, das an einem Stock geschwungen wird. Zudem fand sie auch wieder zu geometrisch-architektonischen Formen zurück. Diesmal jedoch nicht in Zusammenhang mit archaisch-historischen Themen, sondern aus unserer Gegenwart heraus. Beim Einkauf in einem Baumarkt für die Einrichtung eines Ateliers in der Nähe von Železný Brod stieß sie auf eine Isolierfolie, wie sie beim Hausbau eingesetzt wird. Diese Folie mit ihrer gleichmäßigen Struktur herausragender Halbkugeln inspirierte sie zu Arbeiten, die oft an Hochhäuser erinnern und an sich durchdringende oder aufbrechende Wandsegmente. Durch unterschiedliche Kaltbearbeitungen, Polituren und Mattierungen entstehen Verschlüsse und Durchsichten in den Glaskörper hinein. Die kugeligen Erhebungen wirken dabei wie Prismen, in denen sich der Betrachter und die Umgebung vielfach spiegeln. Ganz bewusst reflektiert Klumpar hier die Dynamik des Städtischen, die rhythmische Wiederholung geometrischer Ordnungen mit ihren sich durchdringenden Öffnungen und Abgrenzungen der Bauvolumen, die sich spiegelnde und immer kleinteiliger brechende Wahrnehmung alles Sichtbaren. Wirklichkeit und Illusion liegen hier dicht beisammen. Diese Arbeiten sind ein klarer Gegensatz zu den organisch-natürlichen Formen ihrer anderen Werkgruppen. Für Vladimíra Klumpar gehört beides zusammen: Es ist die Dualität des Lebens. „Die Dynamik der Stadt liebe ich genauso wie meinen Wunsch nach Frieden, Harmonie und Übereinstimmung mit der Natur“. Uwe Claassen