Darryle Hinz (geb. 1949 in Reedley, CA, USA), ein 1969 bis 1977 an der California Universität in Fresno ausgebildeter Keramiker, war es 1972 durch ein Stipendium möglich geworden, an der Universität Uppsala die skandinavische Keramik- und Glasgeschichte zu studieren. Parallel absolvierte er bis 1974 an der Glasfachschule Orrefors eine Ausbildung zum Glasmacher und blieb dann beim Glas. Die Schule in Orrefors war in den 1970er Jahren aufgrund ihrer Qualitätsstandards und des hohen Stellenwerts des schwedischen Glasdesigns ein internationaler Treffpunkt für angehende Designer und Künstler, die sich hier ihre technischen Fähigkeiten erarbeiteten. Nach dieser Ausbildung arbeitete Hinz zunächst für die Glashütte in Boda und als Assistent des bedeutenden Glasgestalters Bertil Vallien. Schon bald entwickelte er sich zu einem der besten Glasbläser in Europa, dessen Arbeit auf den beiden ersten Coburger Glaspreisen ausgezeichnet wurde. In den bewegten 1970er Jahren, als die Glasszene immer stärker Fuß fasste, war Hinz für seine Arbeitsvorführungen ein gern gesehener Gast auf internationalen Konferenzen. Er lehrte als Gastdozent an den künstlerischen Hochschul-Ausbildungsprogrammen für Glas in London, Edinburgh und Kopenhagen und arbeitete in verschiedenen entstehenden Studioglashütten in Schottland und auf der dänischen Insel Bornholm. Auf Bornholm, das schon lange für seine Keramikwerkstätten bekannt war, gehörte er mit seinen amerikanischen Landsleuten Pete Hunner und Charlie Meaker 1979 bis 1981 zu den ersten, die in einer von Morgens Dam zum Glasstudio umgebauten Fischräucherei arbeiteten, Snogebæk Glashytte in Nexø. Alle drei etablierten sich in Dänemark und prägten als Gestalter und Hochschullehrer das Geschehen. Durch ihre Tätigkeit auf Bornholm legten sie einen Grundstein für den Aufbau zahlreicher weiterer Studioglashütten. Mittlerweile hat sich die Insel zu einem Mekka der internationalen Glaskunst entwickelt. Dazu beigetragen haben auch die Gründung einer Glas- und Keramikschule 1997 in Nexø, die inzwischen als Außenstelle der Königlich Dänischen Akademie der Schönen Künste geführt wird, und eine seit 2006 ausgerichtete Biennale, die sich abwechselnd unter dem Namen „European Glass (bzw. Ceramic) Context“ mit der kreativen Arbeit mit diesen Materialien befasst. In den 1970er Jahren war die Arbeit von Darryle Hinz stark von der Abkehr vom rein funktionalen Design geprägt – so wie es zu dieser Zeit üblich war. Seine Trinkglasservice zeigen Wolken und Blumen und sollen zum Träumen einladen. Gelegentlich kontrastieren Fundstücke aus dem Wald und vom Strand das Glas. Als Dozent an der Kopenhagener Skole for Brugskunst lernte Hinz zu Beginn der 1980er Jahre die Studentin Anja Kjær (geb. 1956 in Kopenhagen, Dänemark) kennen. Beide verstanden sich gut und hatten ähnliche Vorstellungen von ihrer weiteren Arbeit. Sie gründeten 1983 in Kopenhagen die „Glasværkstedet“, mit der sie 1990 nach Gilleleje am Nordostzipfel von Seeland umzogen. Sie spezialisierten sich auf funktionales Gebrauchsglas, das sie in kleinen Serien fertigten. Von Anfang an war ihre Arbeit gestalterisch und handwerklich außergewöhnlich. Schlichte, mit der Zeit immer straffer werdende Formen verbanden sie mit einer starken Farbigkeit. Vor allem im venezianischen Glas zu einer Blüte gelangten Techniken wie die Arbeit mit Fadengläsern, Mosaikelementen und der Montage setzten sie ein und führten sie zu einer eigenständigen Sprache, die auf das für Murano so typisch manieristisch-überbordende Dekorspektakel verzichtet. Nicht ein Dekor, sondern Form und Farbigkeit als eigene Werte stehen hier im Mittelpunkt. Für Jørgen Schou-Christensen, damals Kurator am Kunstgewerbemuseum in Kopenhagen, der die internationale Entwicklung intensiv begleitete, stellen die „so selbstverständlich wirkenden Ergebnisse einen Höhepunkt in der traditionellen Technik des Glasblasens“ dar. Ein seit den 1990er Jahren vielfach verbreitetes Bonmot lautet, dass die Zukunft des venezianischen Glases in den USA läge. Gemeint sind insbesondere die Arbeiten von Dale Chihly und des venezianischen Meisterglasbläsers Lino Tagliapietra, der seit den 1990er Jahren auch in den USA lebt und arbeitet. Ein Teil dieser Zukunft, um im Bild zu bleiben, liegt aber auch in Dänemark. Venezianische Fadenglas-, Montage- und Murrinetechniken in zeitgemäß modernisierter Gestaltung liegen nicht nur dem Werk von Darryle Hinz und Anja Kjær zugrunde, sondern auch dem von Tchai Munch oder Steffan Møhl. Hinz und Kjær hatten eigene gestalterische Linien, überwiegend entwickelten sie die Arbeiten aber gemeinsam, so dass es kaum möglich ist, sie einem von beiden zuzuordnen, zumal sie sie auch als Zweierteam produzierten und mit beiden Namen signierten. Wenn neben der Bezeichnung „Hinz / Kjæer“ oder umgekehrt zusätzlich ein voller Name angegeben ist, ist das so etwas wie der „Chefdesigner“ dieses Stücks. Das gilt insbesondere für Einzelstücke wie die Mosaikarbeiten der 1990er Jahre, die an Strenge verloren, um einer heiteren Leichtigkeit Platz zu machen. Wobei nach einer Auskunft von Anja Kjæer auch hier eine gemeinsame Arbeit vorliegt, die Muster und Farbkombinationen von ihr stammen und die die ovale Form von ihrem Partner Darryle Hinz. Neben der eigenen Produktion entwarfen beide auch für die Glasindustrie. Hinz gab die Rechte an seiner Trinkglasserie „Neptun“ an Holmegaard ab. Für dieses bedeutende dänische Unternehmen arbeitete Kjær seit 1989 verstärkt freiberuflich. Ein großer Erfolg wurde dabei z.B. ihre „Karen Blixen“-Serie. Im neuen Jahrtausend trennten sich die Wege von beiden. Kjær arbeitet als bedeutende Designerin vor allem für die Industrie. Darryle Hinz baute am alten Standort, der Kronprinsessegade 34 in Kopenhagen, 2003 eine neue Werkstatt auf. Mit wechselnden Assistenten wie z.B. Erik Meaker oder Bellis Møller setzte er die Arbeit der vorangegangenen Jahrzehnte fort. Ein Höhepunkt sind wieder die Unikate in Mosaiktechnik, deren Muster nun noch freier und bewegter werden. Ein Unfall in der Werkstatt, der zu einer Kohlenmonoxidvergiftung führte, kostete Hinz 2006 fast das Leben und hinterließ bleibende Schäden, die ein weiteres Arbeiten unmöglich machen. Uwe Claassen