BIOGRAPHIE

Jörg F. Zimmermann


Jörg F. Zimmermann (geb. 1940 in Uhingen, Deutschland) gehört zu den bedeutenden Pionieren des Neuen Glases in Westdeutschland. Bekannt ist er vor allem für seine geblasenen „Wabenobjekte“. Er nutzt aber auch andere Glastechniken, ist immer wieder als Designer tätig und entwirft architekturbezogene Arbeiten. Von 1976 an war er zudem Lehrbeauftragter am Lehrstuhl für Glasgestaltung an der Akademie der Bildenden Künste in Stuttgart. Hier hat er 1984 einen Glasschmelzofen eingerichtet und betreute eine der wenigen Heißglaswerkstätten an deutschen Kunsthochschulen. So nimmt er prägenden Anteil an der Entwicklung der Szene und ist durch die Ansprüche der Studenten auch stets selber gefordert. Zimmermann versteht sich nach vielen Jahren dieser Lehrtätigkeit immer noch als „Lernender unter Lernenden“. Wie könnte sein Suchen nach neuen Wegen einen besseren Ausdruck finden? Seine eigene Ausbildung begann 1957 in der elterlichen Glasschleiferei und dem Besuch der Höheren Fachschule für das Edelmetallgewerbe in Schwäbisch Gmünd. Nach der Gesellenprüfung eignete er sich während eines einjährigen Volontariats 1961/62 in der Cäcilienhütte ebenfalls in Schwäbisch Gmünd Fertigkeiten als Glasbläser an. Es folgte ein Studium mit den Fächern Glasgestaltung und Design 1964 bis 1967 an der Werkkunstschule Schwäbisch Gmünd. Anschließend ging Zimmermann in die Schweiz, wo er fünf Jahre an der Glashütte in Hergiswil als Designer tätig war und Gebrauchsglas entwarf. Zurück in Deutschland arbeitete er freiberuflich weiter als Designer für verschiedene Unternehmen wie WMF in Geislingen, die Glashütte Süßmuth in Immenhausen oder die Hansa Metallwerke AG in Stuttgart, für die er Armaturen gestaltete. Daneben war er aber bereits auch schon als freier Künstler tätig.

Prägend für das künstlerische Werk von Jörg F. Zimmermann ist die Verbindung von Glas und Metallgittern. Bereits in Hergiswil hatte er Vasen entworfen, bei denen die Glasblase durch ein Metallgitter in eine Form geblasen wurde. Das Gitter verblieb in der Wandung und entfaltet eine dekorative Wirkung. In seinem künstlerischen Werk ging er dazu über, ohne Model zu arbeiten. Der heiße Glasposten an der Glasmacherpfeife wird durch eine Öffnung in das Metallgitter eingeführt und dann durch das Gitter hindurch geblasen. Dabei entstehen wabenartige Strukturen, die mit farblosem Glas umfangen werden. Ihre äußere Form erhalten die Arbeiten durch die Schwerkraft, indem Zimmermann das sich verfestigende Glas gezielt in bestimmte Richtungen laufen und sich absenken lässt. Zum Teil formt er es auch durch Isolierhandschuhe geschützt mit den Händen. Die Arbeiten sind meist nur zurückhaltend und transparent gefärbt: Metalloxide sind auf das Gitter aufgetragen und gehen beim Durchblasen des Glases auf die Schmelze über. Die Transparenz ist hier wichtig, weil es Zimmermann um das Offenlegen der inneren Strukturen geht. Ihn fasziniert „die formale und ästhetische Vollkommenheit der Baustrukturen der Natur“, die „innere Ordnung der Dinge“. Durch mikroskopierte Zellstrukturen, Muschelfundstücke am Strand und eigentlich überall, wo man offenen Auges durch die Welt geht, werden diese Ordnungen und die sie bedingenden Wechselwirkungen von Funktion und Form sichtbar. Mit seinem Fotoapparat sammelt Zimmermann Inspirationen, die er in seinen Arbeiten abstrakt umsetzt. Und so wie hinter den Formen natürliche Gesetzmäßigkeiten stehen, so geht es ihm beim Experimentieren mit neuen Materialien oder Techniken nicht um das Ausleben einer Lust am Spielerischen, sondern darum, die Gesetzmäßigkeiten des Materials immer weiter auszuloten. Das Gitter ist hier kein Dekorelement mehr, sondern Teil eines künstlerischen Konzepts, verborgene Dinge und Prozesse sichtbar zu machen.

Im Lauf der Jahre hat Zimmermann diese Arbeit stets weiterentwickeln können: Von den formgeblasenen Vasen zu frei geformten Objekten, von farblosem Glas zu verschiedenen Farbigkeiten, von transparenten Oberflächen bis zu ihrer Teilmattierung oder von geschlossenen Formen bis zu ihrer Öffnung durch Aufsägen und Sandstrahlen. Grate und scharfe Kanten lässt Zimmermann gern stehen, sind sie doch eine Eigenart des spröden Materials und verweisen auf seine Gefährlich- und Verletzlichkeit. Heike Heimann sieht in den polaren Aussagen dieser Arbeiten zwischen Aufbau und Zerstörung, Ordnung und Chaos „Sinnbilder des menschlichen Lebens“. Jörg F. Zimmermann hält sich bei solch weitgehenden Interpretationen gern zurück und verweist auf die eigene Vorstellungskraft der Betrachter.
Uwe Claassen

Achilles-Stiftung