BIOGRAPHIE

Petr Stacho


Petr Stacho (geb. 1965 in Ústí nad Labem, Tschechoslowakei ) erlernte 1980 bis 1984 an der Glasfachschule Kamenický Šenov den Beruf des Glasmachers. Anschließend ließ er sich zum Restaurator für Glasfenster weiterbilden. Und erst nach einer Phase der Berufstätigkeit führte ihn sein Weg 1988 an die Hochschule für Angewandte Kunst in Prag. Das Ende der 1980er Jahre und der Beginn der 1990er Jahre waren für die Hochschule eine Zeit des Umbruchs. Stanislav Libenský war 1987 aus politischen Gründen in den Ruhestand verabschiedet worden. Sein Nachfolger Jaroslav Svoboda wollte in Einklang mit den staatlichen Vorgaben den Studiengang stärker auf das Design orientieren, musste aber im Zuge der „Samtenen Revolution“ aufgrund seiner Zugehörigkeit zur Kommunistischen Partei die Stelle wieder räumen. Auf Wunsch der Studentenschaft ersetzte ihn 1990 Vladimír Kopecký, der sich selbst eher als Maler versteht, dessen eigene künstlerische Arbeit durch eine Hass-Liebe zum Glas geprägt ist. Er gilt als Individualist, der nie einer Gruppe oder Künstlerorganisation angehörte. Für seine Mixed-Media-Raumskulpturen nutzt er Glas nur als ein Material unter anderen. Mit seiner Leitungstätigkeit endete die breit angelegte Ausbildung an der Hochschule im Bereich Glas, indem er die Gebrauchsglasgestaltung aufgab und statt dessen die interdisziplinäre künstlerische Arbeit in den Mittelpunkt stellte – und zwar verbunden mit einer Anti-Haltung gegenüber dem Material Glas, das er zu „entmythologisieren“, „hässlich zu machen“ trachtete. Stacho begann sein Studium bei Svoboda und beendete es nach einem Auslandsaufenthalt an der Kunstakademie im belgischen Gent, wo er sich an der Königlichen Akademie der Schönen Künste 1993 mit Monumentalmalerei befasste, bei Vladimír Kopecký. Schon bald nach dem Studium konnte er sich als Künstler etablieren: und zwar als Maler und Bildhauer, der mit Glas arbeitet.

Die Glasarbeiten von Stacho gehen sehr häufig von dreieckigen Grundformen aus. In den 1990er Jahren kontrastierte er die in Formschmelztechnik entstandenen Grundformen durch aufgeschmolzene Stäbe und Folien aus farbigem Glas, mit denen er ein spannungsreiches, abstraktes Gefüge legte. Mit der Zeit vertraute Stacho immer mehr der reinen Form und verzichtete auf die malerisch orientierte farbige Oberflächengestaltung. Dem Dreieck als Grundelement der Außenform bleibt er meist treu. Gelegentlich kommt auch der Kreis vor oder gerundete Dreiecksformen. Im Kontrast zur geometrisch orientierten Grundform sind im Inneren der Skulpturen Durchbrüche gesetzt, die von den Kräften der Natur inspiriert sind. Immer wieder greift Stacho dabei das Thema Wasser auf: Mal zerbirst es wild bewegt an Felsen oder formt Strudel, dann zirkuliert es sanft oder rinnt einen Abhang herab, es ist zu Eis gefroren oder gerade im Wechsel der Aggregatzustände begriffen. Fast mutet es etwas paradox an, dass das Dreieck für Stacho „eine beständige Unruhe und Anspannung“ symbolisiert und er sagt, dass er von seinen scharfen Spitzen gefesselt sei. In seinen Skulpturen wirkt die unbändige Kraft der Natur durch die geometrische Grundform, auch die des Dreiecks, eher beruhigt. Auf der Website von Petr Stacho ist anhand einer Fotoserie gut zu sehen, wie er seine Skulpturen zunächst aus Ton formt. Von diesen Modeln werden Formen abgenommen, die mit Glasbarren gefüllt im Ofen so lange erhitzt werden, bis das Glas schmilzt und die Gestalt der Form annimmt. Letzte Arbeitsschritte gelten der Nachbearbeitung durch Schleifen, Polieren und / oder Säuremattieren. Seine vielfältigen Fertigkeiten gibt Stacho seit 2007 zuerst als Leiter der Abteilung Glasschliff, seit 2010 auch als Leiter der Abteilung Glasgravur an der Glasfachschule Kamenický Šenov an junge Leute weiter.
Uwe Claassen

Achilles-Stiftung