BIOGRAPHIE

Štěpán Pala


Štěpán Pala (geb. 1944 in Zlín, Tschechoslowakei) und seine Frau Zara Palová gehörten in den 1970er Jahren zu den talentiertesten Schülern von Václav Cigler. Sie haben die Arbeit mit geschliffenem optischen Glas mit Bezug auf die Architektur in der gemeinsamen wie in der individuellen Arbeit weiter entwickeln und zu eigenständigen persönlichen Formensprachen führen können. Heutzutage gelten sie als führende Künstler der zweiten Generation Slowakischer Glaskünstler. Pala hatte vor dem Studium zwischen 1959 und 1963 an der Glasfachschule in Kamenický Šenov eine Ausbildung zum Glasmacher absolviert und nach dem Militärdienst erst als Gestalter für das Lampenunternehmen Lustry in Kamenický Šenov gearbeitet, um danach als Schmelzmeister in der Glasindustrie tätig zu sein. Parallel belegte er Kurse für Skulptur um sich für die Aufnahmeprüfung an einer Kunsthochschule vorzubereiten. Die Wahl fiel nicht auf die Hochschule für Angewandte Kunst in Prag mit ihrem etablierten Programm für Glasgestalter und Glaskünstler, sondern auf den erst kurz zuvor eingerichteten Studiengang „Glas in der Architektur“ an der Akademie der Bildenden Künste in Bratislava, wo er von 1969 bis 1975 studierte. Hier lehrte Václav Cigler, dessen Schleifarbeiten zu dieser Zeit schulbildend wurden; hier gab es das Neueste vom Neuen. Und hier lernte Pala auch seine Frau kennen.

Durch die Tätigkeit für Lustry hatte Pala bereits einen Bezug zum Einsatz von Glasobjekten in einem architekturbezogenen Kontext. Als ausgebildeter Glasmacher kam er aber auch als Quereinsteiger in die vom Glasschliff dominierte Akademieklasse von Cigler. Womöglich liegt hier schon ein Ausgangspunkt für das spätere Freischwimmen von seinem Lehrer. Zunächst vor allem mit Bezug auf die Architektur tätig, entwarf Pala auch Trinkgläser und Schmuck, orientierte sich aber immer mehr in Richtung unabhängiger skulpturaler Arbeit. Rationalität und Geometrie kennzeichnen sein Werk. Lange Zeit entwickelte er seine Objekte aus einfachsten geometrische Formen, vor allem dem Tetraeder, indem er ein Grundmodul repetitiv anordnete. Eine herausragende Arbeit für den öffentlichen Raum ist der so entstandene „Glass Circle“ (auch als „Thorn Crown“ bezeichnet), der 1996 in der Lobby des neu erbauten Gebäudes des Verbandes der Versicherer in Den Haag aufgestellt wurde. 96 Tetraeder aus geschliffenem optischen Glas sind zu einem leicht geöffneten Ring von zwei Meter Durchmesser angeordnet und miteinander verklebt. Ordnung entsteht hier als ein Resultat kontrolliert angeordneter Proportionen. Dan Klein sieht in dieser Arbeitsweise „so etwas wie die Suche nach einer universellen Ordnung“. So verstanden liegen in der mathematisch bestimmbaren Geometrie Palas die Werkzeuge, auch das Leben von uns Menschen zu beschreiben: Der „Glass Circle“ symbolisiere, so Pala selbst, „das Mysterium von Leben und Wachstum, die Organisation des Raumes und die Architektur der Bewegung.

Bewegung durch Wachstum wurde seit dem Ende der 1970er Jahre zunehmend ein Thema für Pala. Er begann, Musik zu visualisieren und unabhängig von bestehenden Notensystemen assoziative Partituren zu zeichnen. Geometrische Liniensysteme bilden dabei rhythmische Strukturen. Eine Linie bezieht sich auf die vorherige, fast wie bei sich ausbreitenden Schallwellen. Wieder ist es mit der Linie ein geometrisches Grundmodul, aus dessen Wiederholung und Variation bzw. einer quer verlaufenden Kontrastierung das Werk erwächst. Gemäß Ciglers Statement, „Wissen wird durch die Erforschung der Leere bereichert“, stehen diese Zeichnungen nicht für die Bestimmtheit einer Konstruktion, sondern für die prozesshafte Suche nach Formen. Ins Glas übertragen bedeutete das die Arbeit mit farblosen Glaselementen, die miteinander verklebt oder verschmolzen sind, wobei die Verbindungsflächen als sichtbare Dokumente des Wachstums der Skulptur erkennbar bleiben.

Seit Mitte der 1990er Jahre kam Farbe sowohl in die gezeichneten Partituren als auch in Palas Arbeit mit Glas. Nun entspannte sich die strikte Rationalität der früheren Arbeiten. Es entstand eine ganze Serie von Skulpturen, in denen zwei runde, radartige Scheiben durch eine Nabe miteinander verbunden sind. Ein Rad und die Nabe sind meist in einem Stück mit dem Einsatz farbigen Glases in einem Stück formgeschmolzen. Ein geschliffenes farbloses Glas ist angeklebt. So entsteht wie beim „Yellow Space“ der Eindruck, der vom farbigen Glas vorgegebene rhythmische Akzent würde in schwereloser Balance verharren. Fast erwartet man beim Betrachten, dass sich die Balance jeden Moment auflöst und die Arbeit entweder ins Trudeln gerät oder gänzlich abhebt. In der Serie „Infinity“ geht Pala von der mathematisch-physikalischen Figur des Möbiusbandes aus: Die Enden eines flachen Band sind miteinander verbunden. Vor der Verbindung ist jedoch ein Ende um 180 Grad gedreht. Wieder ist es eine geometrische Grundform, der durch Variation Leben eingehaucht wird. „Mathematik und Geometrie sowie Poesie und Spiel sind die Hauptkonstanten des aktuellen Werks von Štěpán Pala“ wie Katarína Bajenová anmerkte.
Uwe Claassen

Achilles-Stiftung