BIOGRAPHIE

Vladimír Klein


Vladimír Klein (geb. 1950 in Komárno, Tschechoslowakei) verschlug es in Kindesjahren mit seiner Familie nach Nordböhmen. Sein Wunsch nach einem künstlerischen Beruf führte ihn ins Glas. An der Glasfachschule in Kamenický Šenov fiel Ende der 1960er Jahre bereits sein großes Talent für das Formen von Glas durch den Schliff auf. In Prag, an der Hochschule für Angewandte Kunst, konnte er als Schüler von Stanislav Libenský dieses Talent 1969 bis 1975 weiter ausprägen. Optisches Glas zu schleifen war in den 1970er Jahren die vorherrschende Technik für die künstlerische Arbeit mit dem Material. Aber anders als bei Václav Cigler, der diese Arbeitsweise eingeführt hatte, und seinen Schülern in Bratislava, kontrastierten Libenskýs Schüler die geometrische Ordnung meist durch gerundete, organische Formen, die bisweilen auch von konkreten Themen abgeleitet waren. Die „Blumen“ aus Vladimír Kleins Abschlussarbeit galten unmittelbar als herausragende Beispiele für diese Richtung, die auch sofort internationale Beachtung erfuhren, z.B. auf dem ersten Coburger Glaspreis 1977.

Als in den 1970er Jahren die Fertigung von Unikaten und künstlerischen Kleinserien an den Gestaltungszentren der tschechoslowakischen Industrie an Bedeutung verlor, interessierten sich viele Studenten kaum noch für die Produktgestaltung. Klein sah hier aber immer wieder eine Herausforderung und die Möglichkeit, mit seinen Gestaltungsideen weite Kreise erreichen zu können. Von 1997 bis 2005 arbeitete er als leitender Designer für Crystalex, den größten, aus einem ehemaligen Nationalunternehmen hervorgegangenen tschechischen Glaserzeuger. Eine seiner Motivationen, die durch die immer weiter fortschreitende Automatisierung zurückgedrängte händische Fertigung durch neue Entwürfe zu stärken und beseelte Gebrauchsobjekte für den Alltag zu entwerfen, fand jedoch bei den Eigentümern auch aus Gründen der Profitabilität kein Verständnis. Kleins Tätigkeit als Lehrer und Direktor an der Glasfachschule in Kamenický Šenov von 1977 bis 1990 fand und findet ihre Fortsetzung durch zahlreiche Gastprofessuren.

In den 1980er Jahre verlor die Arbeit mit dem farblosen, geschliffenen Glas allgemein an Ansehen. Auch Vladimír Klein suchte nach neuen Wegen für seine skulpturale Arbeit. Er lenkte die Formgebung zunächst ins Innere der Objekte, kontrastierte sie dann durch den Einbezug von Farbe und später vor allem durch Oberflächengestaltung mit aufgeklebten Flachglaselemente und Gravuren bis hin zur Bearbeitung mit dem Winkelschleifer und mit Hammer und Meißel. Gerade der Kontrast von hochpolierten und mit dem Meißel abgesprengten Flächen lädt ein zur Meditation über Themen wie Monumentalität und eruptive Kräften. Sie wirft uns auf die emotionalen Seiten unserer Träume, die ein Gefühl auf die Spitze treiben, die polarisieren und im Guten wie im Schlechten idealisieren. Was für eine harte Arbeit in diesen Skulpturen steckt, ist in einigen Filmen zu sehen: Schwerste Glasblöcke müssen bewegt, gehalten und an die Schleifräder gepresst werden. Die Kraft der rotierenden Räder des Winkelschleifers und der fest installierten Schleifräder lassen das Glas immer wieder abprallen. Feuchtigkeit und Lärm bestimmen das Raumklima. Immer wieder wird das Zwischenergebnis geprüft und immer wieder werden neue Schleifräder, feinere Schleif- und Poliermittel eingesetzt. „Es ist wirklich eine harte Arbeit“ sagt Vladimir Klein am Ende eines Films, eine Arbeit, die seinen fertigen Werken mit ihren klaren Linien und prägnanten Kontrasten kaum mehr anzusehen ist.

Das „Schiff“ ist in den letzten Jahren zu einem zentralen Thema der Arbeit von Vladimír Klein geworden. „Warum das Schiff? Ich komme aus der Tschechoslowakei und dort haben wir kein Meer. Vielleicht liegt es daran, dass wir mehr Träume haben. […] Träume sind für die Ewigkeit. […] Das Schiff ist ein Symbol für das Abenteuer, für Entdeckungen“, so der Künstler. In einem Film und im persönlichen Gespräch erzählt er über seine Schiffe: Sein Vater war Architekt und arbeitete in der slowakischen Donaustadt Komárno für eine Schiffswerft. Mit den abfahrenden Schiffen kamen die Träume von fernen Ländern. Der schon vor langem gestorbene Vater wäre sicher erfreut, könne er die Schiffe seines Sohnes sehen. Die Themen und Titel für Kleins Schiffe kommen meist aus der Auseinandersetzung mit den Ländern, die der Künstler für seine zahlreichen Gastprofessuren bereist, z.B. Japan oder die Türkei. Sein „Mond-Schiff“ ist als eine Hommage an das Morgenland zu verstehen. Und auch das „Schiff voller Champagner“ zeugt von der Freude an Entdeckungen und dem Unerwarteten. Durch die glatt polierte Oberfläche wirkt das Schiff, als sei es mit einer Flüssigkeit gefüllt. Viele Betrachter wollen hineinfassen und begreifen erst dann, das alles aus der gleichen festen Materie besteht: aus champagnerfarbenem Glas.
Uwe Claassen

Achilles-Stiftung