BIOGRAPHIE

Josh Simpson


Josh Simpson (geb. 1949 in New Haven, CT, USA) studierte zu Beginn der 1970er Jahre am Hamilton College in Clinton, VT, Psychologie. Den höheren Semestern war es gestattet, einen Monat lang eigene Interessen zu verfolgen. Simpson hatte von einen Glasstudio am Goddard College in Plainfield, VT, gehört und wollte den Monat dort verbringen, um das Glasblasen kennenzulernen. Aus einem Monat wurde ein ganzes Jahr. Er hatte im Glas seine Erfüllung gefunden. Zwar schloss er sein Psychologiestudium noch mit einem Bachelorexamen ab, baute danach aber ein Glasstudio in Connecticut auf. 1976 zog es ihn nach Massachusetts. In Shelburne Falls bewohnt er eine Farm. Die Scheune baute er zu einem Glasstudio um, in dem er heute noch mit einem kleinen Team seine Arbeiten realisiert.

Simpson ist an technisch-naturwissenschaftlichen Themen und dem Weltall interessiert. Bei der Besichtigung von Kernkraftwerken sah er die Tscherenkow-Strahlung, ein bläuliches Leuchten, das beim Durchgang schneller, geladener Teilchen durch Wasser entsteht, zum Beispiel in Wasserbeckenreaktoren oder in Abklingbecken für verbrauchte Brennstäbe. Dieses intensiv blaue Leuchten faszinierte ihn so sehr, dass er es in Glas umsetzen wollte. Resultat seiner Experimente mit Aufschmelzungen metallischen Silbers sind seine „Blue New Mexico“-Gläser. Das Silber entwickelt durch gezielte Regulierung der Ofentemperatur Farbverläufe, die von Pfauenblau über tiefes Violett bis ins Rote reichen und die aufgrund dichroitischer Eigenschaften in wechselnder Auf- und Durchsicht zusätzlich in ihrer Farbigkeit changieren. Dass Simpson neben seinem Interesse an Naturwissenschaften auch eine phantastisch-poetische Ader hat, zeigt die Namensgebung: Er war zuvor nie in New Mexico gewesen, stellte sich aber so die Farben des dortigen Nachthimmels vor. Andere Assoziationen sind das vom Sturm bewegte Meer oder ferne Galaxien, wie sie durch das Hubble-Teleskop beobachtet werden können. Simpson nutzt diese Oberflächengestaltung sowohl für Gebrauchsglas wie Trinkgläser, Schalen und Vasen, als auch für künstlerische Projekte. Dazu gehört seine „Tektite“-Reihe. Tektite sind Gläser, die in der großen Hitze des Einschlags von Meteoriten auf der Erde entstehen. Die Idee zu diesen Arbeiten kam Simpson, als ihm ein befreundeter Wissenschaftler einen Tektit gab. Er ließ eine Spektralanalyse anfertigen und arbeitet für seine am Schmelzofen geformten „Tektites“ mit vergleichbaren Materialzusammensetzungen.

Die bekanntesten Arbeiten von Simpson sind aber wohl seine „Planets“: Glaskugeln in der Tradition der Paperweights, in denen Simpson in aufwendiger Detailarbeit Meereslandschaften und ganze Planeten, die in ihrer Atmosphäre von Raumschiffen umkreist werden, erschafft. Die Größe reicht von sehr klein bis zu den über 30 Zentimeter Durchmesser erreichenden „Megaplanets“. Seinen größten Planeten fertigte er 2005 für das Corning Museum of Glass. Er wiegt fast 50 Kilo. Die Idee zu den „Planets“ entstand unter dem Eindruck des Apollo-Raumfahrtprogramms der NASA bei Glasbläser-Vorführungen für Jugendliche in den 1970er Jahren. Der Astronaut Jim Lovell hatte während des Apollo 13-Fluges beim Blick aus dem Fenster der Raumkapsel davon gesprochen, dass er die Erde mit seinem Daumen verdecken könne. Simpson gestaltete davon inspiriert kleine Planeten, die auch ein Kind in der Hand halten kann. Bei dieser Weltraumbegeisterung verwundert es nicht, dass Josh Simpson mit einer Astronautin verheiratet ist, mit Cady Coleman, die zwischen 1995 und 2011 mehrfach das Weltall bereiste. Aus den „Planets“ ist ein weiteres Projekt entstanden. Simpson hatte bei seinem Haus alte Murmeln gefunden, die dort womöglich schon Jahrzehnte lagen. Er stellte sich nun vor, wie es wäre, seine „Planets“ überall auf der Welt zu verstecken oder einfach aus dem Flugzeug zu werfen. Wie lange wird es dauern, bis sie gefunden werden? Was werden die Finder wohl denken? Damit war das „Infinity Project“ geboren. Simpson versieht kleinere „Planets“ mit dem Unendlichkeitszeichen und verteilt sie über die Welt. Alle Menschen können Kontakt zu ihm aufnehmen und eigene Orte vorschlagen. Einen Teil wählt er aus und schickt ihnen zwei „Planets“ zu: einen zum Auslegen und einen als Dokumentation der Teilnahme am Projekt. Im Lauf der Zeit sind bereits über 1700 „Planets“ über die Erde verteilt worden: Ein poetischer Gedanke, der Zeiten, Räume und die Menschen unserer Welt zusammenführt.
Uwe Claassen

Achilles-Stiftung