BIOGRAPHIE

Jaromír Rybák


Jaromír Rybák (geb. 1952 in Plzeň, Tschechoslowakei) gehört zu den bedeutenden tschechischen Künstlern, die in den 1980er Jahren die Arbeit mit formgeschmolzenem Glas aus dem damals noch vorherrschenden, von Stanislav Libenský und Jaroslava Brychtová geprägten Bezug auf die Architektur herausführten und konsequent für die individuelle Skulptur einsetzten. Bereits um 1980, gleich nach dem Abschluss seines Studiums, errichtete er in seinem Atelier einen eigenen Muffelofen und experimentierte als einer der ersten Künstler seiner Generation mit dem Verschmelzen von Glasblöcken und in Formen geschmolzenem Glas, um zu einer neuen künstlerischen Sprache zu gelangen. „Am Glas um seiner selbst willen liegt mir dabei nichts“, wie Rybak selbst sagt.

Zunächst absolvierte Rybák einen Werdegang, der obligatorisch für den späteren Besuch der Hochschule in Prag war: An der Glasfachschule Železný Brod wurde er zwischen 1967 und 1971 zum Glasmaler ausgebildet. Sein Talent führte ihn 1973 in Stanislav Libenskýs Glasgestalterklasse in Prag, wo er bis 1979 eine solide künstlerische Ausbildung erhielt und weitere Techniken der Verarbeitung und Veredelung von Glas kennen lernte. Zentral wurde für ihn wie auch für seine Kommilitonen zunächst die Arbeit mit geschliffenem optischen Glas. Gemäß des Einflusses seines Lehrers fasste er es nicht rein geometrisch kühl und auf die umgebende Architektur bezogen auf, wie Václav Cígler und seine Schüler in Bratislava. Rybák drängte es mehr zu einer eigenständigen, von der Umgebung unabhängigen skulpturalen Qualität seiner Arbeit.

Mit Beleuchtungen und Fenstern für Firmen und Restaurants, aber auch für das Parlamentsgebäude in Prag, die er mit Gizela Šabóková plante und ausführte, konnte sich Rybák nach dem Abschluss des Studium seine Existenz sichern. Parallel entwickelte er seine eigene Skulpturensprache. Ein erster Schritt war das Verschmelzen von farblosen Glasblöcken und Scheiben, deren Flächen er zuvor durch Schliff oder Gravur kalt bearbeitet hatte. Anders als beim Verkleben von Glaselementen entstehen beim Verschmelzen je nach Bearbeitung unterschiedliche Blasen- und Schleierbildungen, mit denen das Innere der Arbeit gezielt gestaltet werden kann. Das Kunstwerk wird unabhängig von den optischen Wirkungen des Glases im Raum. Arbeiten dieser Zeit wie „Architektur“ oder „Torso“ sind durch eine konstruktiv-kubische Formensprache geprägt, die das Fragmentarische in den Mittelpunkt stellt, als etwas, das aus dem Gleichgewicht eines nicht mehr existenten Ganzen geraten ist. Zeitgleich mit Ivan Mareš führte Rybák Experimente mit Glasgranulaten und -brocken durch, die er in einer Form oder in einem darüber befindlichen Reservoir schmolz. Zunächst war ihm die Außenform dabei nicht von größerer Bedeutung. Ihm kam es auf das Innere an: In der Hitze des Schmelzprozesses kommt es zu Fließbewegungen. In mit unterschiedlichen Glasfarben befüllten Formen entstehen so Schlieren, die zusammen mit den Bläschen nicht mehr entweichen könnender Lufteinschlüsse an die Urkräfte gemahnen, die alles Existierende formen und die es auch wieder zerstören können. In der Natur und den Kräften, die sie gestalten, sieht Rybák die zentrale Ressource für seine Inspiration.

Das Spiel dieser Energien zeigt sich auch in einer Werkgruppe, bei denen die Außenform im Mittelpunkt steht: bei den abstrakten „Schreitenden Dreiecken“ aus der Zeit um 1990 mit ihren lavagleich aufbrechenden Wandungen und auch bei den von gegenständlichen Themen ausgehenden Arbeiten wie den „Gebirgen“, den „Wolken“ oder seinen immer wiederkehrenden Tieren, vor allem den Vögeln und Fischen.

Neben diesen Glasarbeiten befasst Rybák sich auch mit Malerei, Graphik und seit den 1990er Jahren auch mit Mischtechniken, in denen er Glas und Bronze miteinander verbindet. Kristían Suda stellt das Werk Rybáks in einen Zusammenhang mit der Kunst primitiver Kulturen und dem tschechischen Symbolismus um 1900. Seine Arbeiten wirken wie archaische, totemähnliche Beschwörungen, mit denen er das Wunder der Existenz und das geheime Spiel der Naturkräfte zu fassen versuche: „Sie sind hier, um mit uns eine Welt voller Kräfte und Geheimnisse zu teilen, an deren Kreationen wir teilhaben.“
Uwe Claassen

Achilles-Stiftung