Malvina Middleton (geb. 1968 in Nicosia, Zypern) wusste schon in jungen Jahren, dass sie später einmal beruflich in die Kunst wollte. Sie hat es geschafft. Mehrere Aufenthalte in Saudi-Arabien und in England haben ihre Arbeit geprägt: Der unberührte Wüstensand mit seinen vielfältigen vom Wind geformten Strukturen führte sie zu schrundigen Oberflächen, Wüste und Himmel zum bevorzugten Einsatz der Farben Gelb und Blau, und das Erlebnis gotischer Kirchenfenster in England zum Glas. Nach einem Malereistudium 1986 – 1991 an der Aristotelian University Thessaloniki in Griechenland ging sie nach Edinburgh in Schottland und absolvierte dort bis 1992 am für seine Glaswerkstätten bekannten College for Art ein Postgraduiertenstudium. Hier befasste sie sich vor allem mit der Glasmalerei. An der Universität in Wolverhampton vertiefte sie diese Arbeit während eines Masterstudiums 1995 bis 1996. Auch wenn wegen der Zugehörigkeit Zyperns als Kronkolonie von 1878 bis 1960 zum Britischen Empire bis heute eine enge Verbindung zu Großbritannien besteht, ist Middleton ein gutes Bespiel für die vielen internationalen Künstler, die das Britische Bildungswesen im Allgemeinen, und hier im Speziellen im Glas nutzen. Ihr Aufenthalt in Wolverhampton war zu einer Zeit als dort noch Keith Cummings unterrichtete, der britische Pionier der Arbeit mit Formschmelztechniken. Sie bleib damals noch bei der Glasmalerei und fand erst in den Folgejahren, als sie in zahlreichen Glaswerkstätten in Europa und den USA arbeitete, auch zum formgeschmolzenen Glas, mit dem sie seitdem bevorzugt arbeitet. In Zypern baute sie sich eine eigene Werkstatt dafür auf und betreibt die Glasgalerie „Malvina Studio“. 2006 wurde sie zur Teilnahme am Coburger Glaspreis eingeladen, wo sie den Tschechen Joseph Marek kennenlernte. Das Künstlerpaar arbeitet seitdem abwechselnd auf Zypern und in der Tschechischen Republik. Im gemeinsamen Austausch und auch in Abgrenzung zueinander entwickeln sie ihr jeweils persönliches Werk im Glas. Middleton konnte eine eigenständige Formensprache entwickeln, die sie gemeinsam mit Marek bis zum Internationalen Skulpturensymposium 2010 nach Alexandria in Ägypten führte, wo sie ihr Land repräsentierte. Middleton arbeitet gern mit Gegensätzen: Klaren geometrischen Formen stellt sie bewegte, ausfransende entgegen. Sauber polierte Oberflächen treffen auf schrundige, strukturierte und mattierte. Der Architektur entlehnte monumentale Pfeiler und Stützen haften organisch gewachsene oder verwittert erscheinende Gebilde an. Schwere und Leichtigkeit, Verharren und Aufbegehren, Stürzen und Stützen stehen sich hier gegenüber. Titel wie „Adonis“, „Golem“ oder „Stymphalischer Vogel“ verweisen auf die Auseinandersetzung mit antiker Mythologie des Mittelmeerraums. Welche Bedeutung haben diese alten Mythen für uns Menschen des 21. Jahrhunderts? Einerseits stehen sie in aller klaren gedanklichen Reinheit vor uns – und doch haben sie Patina angelegt und brauchen Stützwerk, das sie dem Vergessen entreißt. Malvina Middleton hat mit ihrer Werkgruppe der „Boten“, der „Messengers“ eine abstrahierende bildhauerische Sprache gefunden, dieses Kommen und Gehen der antiken Geisteswelt und Ideen sichtbar zu machen und zu reflektieren. Mit einer Arbeit wie „Messenger Code“ löst sie sich von der Antike und befragt darüber hinausgehend die universalen Codes menschlicher Überlieferung. In einer zweiten Werkgruppe, den „Suchenden“, den „Seekers“ geht sie von Formen aus, die uns immerzu begegnen, in ihrer Alltäglichkeit aber oft wenig Beachtung finden. Diese verfremdet sie humorvoll wie bei den kugelig gerasterten Schmetterlingsflügeln oder der textilartig mehrschichtigen Pupille im Auge von „Haris Wisdom“, einer Anspielung auf ihre Schwester, der nichts verborgen bleibt. Uwe Claassen