Jon Kuhn (geb. 1949 in Chicago, IL, USA) kommt, wie viele amerikanische Künstler, die mit Glas arbeiten, ursprünglich aus der Keramik. Nach einer Keramikausbildung in Topeka, KS, in den 1970er Jahren ging er 1978 nach Richmond, VT, um hier Kunst zu studieren und seinen Masterabschluss im Fachbereich Glas zu erlangen. Von Anfang an ist Kuhns Werk von östlicher Mystik und Philosophie geprägt. Meditation gehört zu seinen täglichen Routinen. Durch sie kann ein Mensch sein inneres Universum finden und mit dem Blick ins Innere ist ein anderes Verständnis des Äußeren möglich. Die Eigenschaft von Glas, das unter der Oberfläche Liegende sichtbar zu halten, macht es für Kuhn zum idealen Medium, dieses Konzept auszudrücken. Vom Verhältnis des Inneren zum Äußeren ist denn auch Kuhns Kunst bestimmt. Von 1978 bis 1985 betrieb Kuhn in Stanton, VA, einen Schmelzofen. Seine organisch geformten Gefäßobjekte und steinartigen Skulpturen aus opakem Glas unterzog er intensiven Behandlungen mit Säure. So erhielten sie eine undurchsichtige, mattierte und raue Oberfläche, die bisweilen an Keramik erinnert. Im Kontrast zur verschlossenen Oberfläche schnitt er die Objekte partiell an, polierte die Schnitte und öffnete so kleine Fenster in ihr Inneres. Mitte der 1980er Jahre gab es große Veränderungen. Kuhn heiratete und baute 1985 ein neues Studio in Winston-Salem, NC, auf. Gleichzeitig suchte er für seinen künstlerisch-philosophischen Ansatz eine neue Ausdrucksweise. Er begann, mit Formschmelztechniken wie Pâte de verre zu experimentieren und Glaselemente zu Skulpturen zu verkleben. Der Anteil von farblosem Glas wurde immer größer, bis Kuhn tatsächlich eine neue Formsprache fand: Seine Skulpturen setzt er nun aus tausenden kleinen, geschnittenen, geschliffenen und polierten Glasplättchen zusammen, die er miteinander verklebt. Auch Gold-, Silber- oder Platinfolien sind häufig mit eingelegt. Die Arbeiten entstehen aus dem Kern heraus. Jeder Zwischenschritt muss neu geschliffen und poliert werden, damit keine Unregelmäßigkeiten und Lufteinschlüsse entstehen. Ummantelt sind die Kerne von großen Elementen aus reinstem, hoch brechendem optischen Glas. Tritt Licht in sie ein, entsteht wie bei einem Diamanten ein vielschichtiges Spiel aus sich überlagernden Brechungen, das sich durch Reflexionen auf den ganzen umgebenden Raum ausdehnt. Viele Skulpturen sind auf Sockeln aus Edelstahl drehbar gelagert, so dass die Reflektionen überaus dynamisch den Raum durchfließen können. Für Kuhn liegt in diesem Lichtspiel eine spirituelle Kraft, die seine Beschäftigung mit östlicher Philosophie und sein Interesse an Architektur, Musik, Mathematik und Textilien reflektiert. So wie das Ziel der Meditation Perfektion ist, so strebt er mit seiner künstlerischen Arbeit nach Perfektion und sieht seine Skulpturen als ein „architektonisches Modell einer Vision für eine bessere Welt“. Aufgrund des großen Erfolgs seiner Arbeit konnte Kuhn eine Werkstatt mit mehr als 25 Mitarbeitern aufbauen. Uwe Claassen