Kyohei Fujita (geb. 1921 in Tokyo, Japan – 2004) studierte in den 1940er Jahren an der Tokyo School of Fine Art, Department of Metal Crafts, Metallgravur. Nach dem Krieg, den er ohne Kampfeinsatz überstand, suchte er sich als freier Künstler mit Metallskulpturen zu etablieren. Schon bald zweifelte er aber daran, mit dem richtigen Material zu arbeiten. Als er eine Ausstellung mit antiken phönizischen Gläsern sah, entwickelte Fujita eine neue Perspektive. Er nahm mit Toshichi Iwata (1893-1980), einem entfernten Verwandten seiner verstorbenen Mutter, Kontakt auf. Der betrieb eine Glashütte und produzierte vor allem Gebrauchsglas. Aufgrund seiner hohen gestalterischen Ansätze seit den 1920er Jahren galt er als die führende Kraft in der japanischen Glaskunst. In seiner Fabrik lernte Fujita ab 1947 das Glasblasen. Doch schon bald fühlte er sich eingeengt, weil es ihm nicht möglich war, eigene Entwürfe zu realisieren. 1949 kündigte Fujita und machte sich selbständig. Er mietete sich in wechselnden Glasfabriken stundenweise ein. Die Pacht entrichtete er durch die Übernahme der Produktion der jeweiligen Fabrik. Was ihm möglich war, darüber hinaus zu fertigen, Gebrauchsgerät wie Vasen, Schalen, Sakegläser oder Becher und Kannen für die Teezeremonie, verkaufte er aus Körben von Haustür zu Haustür. Mit der Zeit stellten sich Erfolge ein und Fujita konnte seine Arbeiten auch ausstellen. Seit 1957 hatte er regelmäßig Einzelausstellung in den Galerien verschiedener großer Kaufhäuser und später auch in Museen. 1996 wurde seinem Werk in Matsushima ein eigenes Museum gewidmet.Glas galt in Japan bis weit ins 20. Jahrhundert hinein als Material für die Industrie. Selbst da, wo künstlerische Ansätze entstanden, wie zum Beispiel seit den 1920er Jahren bei Toshichi Iwata, wurden diese Erzeugnisse lange noch als Industrieware gesehen und nicht als Teil des so bedeutenden japanischen Kunsthandwerks oder der Kunst. Dies änderte sich erst deutlich in der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts und ist insbesondere mit den Arbeiten von Kyohei Fujita verbunden. Für Fujita war es wichtig, sich als Japaner zu definieren, der in den Traditionen seines Landes steht: „Heutige Künstler müssen die Anstrengungen und Bestrebungen früherer Künstler respektieren. Man hat die Pflicht, auf ihre Pionierarbeit zu reagieren, aber nicht durch bloße Imitation. Nur durch das Aufbauen auf den Leistungen früherer Künstler kann es gelingen, eigene persönliche Kreationen zu erreichen.“ Kennzeichnend für das Kunstverständnis in Japan ist, dass die in der westlichen Tradition bestehende Kluft zwischen ‚großer‘ und ‚angewandter‘ Kunst, zwischen Kunst und Kunsthandwerk, hier nie eine entscheidende Rolle gespielt hat. Entsprechend hoch waren die Anforderungen an die handwerkliche und formale Qualität von besonderen Gebrauchsobjekten, wie sie bei der Teezeremonie, religiösen Handlungen oder bei der Kalligraphie zum Einsatz kamen. Und auch Kyohei Fujita entwickelte seine Glaskunst anhand von Objekten, die zumindest potentiell einen Gebrauchswert besitzen.Große Aufmerksam erfuhren die „Ryudo“-Gläser, die fließenden Gläser, die Fujita 1964 erstmals fertigte. Die Wände der Vasen und Schalen wirken wie eingefrorene Wasserläufe. Entstanden sind sie aus Glasflüssen, die rhythmisch neben- und übereinander gelegt sind. In dem Moment, in dem das Glas erstarrt, sieht Fujita die „Essenz“, den „wahren Charakter von Glas“, den er mit dieser Serie finden wollte. Kontemplation und spontane Arbeitsweise sind essentiell für diese Arbeiten, die damit der asiatischen Kalligraphie näher stehen, als den freien Formexperimenten der westlichen Studioglas-Bewegung oder Arbeiten von René Roubíček, die er zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht kannte. Fujita schätzte die von Ogata Korin (1658–1716) begründete Rimpa-Schule der japanischen Malerei, die durch die Verwendung von leuchtenden Farben, einschließlich Gold und Silber, Schönheit ausdrücken wollte. Diese traditionelle japanische Kunst wollte Fujita in die Gegenwart holen. Er tat das in Verbindung mit einer weiteren japanischen Tradition: Seit Jahrhunderten haben Dosen aus verschiedenen Materialien als Aufbewahrungsort eine große Bedeutung in Japan. Berühmt sind vor allem mit Gold- und Silberpulver versehene Lackarbeiten, die im 17. Jahrhundert ihren qualitativen Höhepunkt erreichten. Vor Fujita war niemand auf die Idee gekommen, solche Dosen aus Glas herzustellen. Mit seinem großen Gespür für harmonische Farbzusammenstellungen und Formen entwarf er seit den frühen 1970er Jahren Glasdosen, für die er verschiedenste Techniken einsetzte. Insbesondere entwickeln aufgeschmolzene Gold-, Silber- und Platinfolien, die beim Ausblasen in eine Form aufreißen, sensibelste Dekore. Als Arbeiten dieser „Kazaribako“-Serie 1975 in Kopenhagen erstmals international ausgestellt wurden, waren sie eine große Sensation, die viele Kollegen und Kolleginnen aus aller Welt inspirierte. Kyohei Fujita wurde nun ein internationaler Künstler, der von 1977 an regelmäßig jedes Jahr einige Wochen in Murano arbeitete. Hier brachte er die Besonderheiten des venezianischen Glases mit seinen japanischen Traditionen zusammen. Dabei blieb er sich stets treu: Das Ziel seiner Kunst sah er in der „Suche nach klassischer Schönheit“. Sein langjähriger dänischer Künstlerfreund Finn Lynggaard sah „die Fähigkeit, sich in einer modernen künstlerischen Sprache auszudrücken, und parallel dazu den größten Respekt vor traditionellen Werten zu zeigen, als besonders charakteristisch für Kyohei Fujita“. Uwe Claassen