BIOGRAPHIE

Peter Bremers


Peter Bremers (geb. 1957 in Maastricht, Niederlande) interessierte sich während seines Kunststudiums an der Akademie für Bildende Künste (1976 bis 1980) und der Jan van Eyck Akademie (bis 1988), beides in Maastricht, für Licht. Er entwickelte Arbeiten, die wie wissenschaftliche Versuchsanordnungen wirken, die das weiße Licht brechen, es färben und in den Raum leiten. Er erzielte Erfolge und würde, wie er selber sagt, das vielleicht immer noch machen, wäre er nicht 1986 in einen Heißglas-Workshop mit dem bedeutenden niederländischen Glasdesigner und -künstler Andries Dirk Copier geraten. Hier sah er am Ende der Glasmacherpfeife „flüssiges Licht“ und beschloss sofort, es zu seinem zukünftigen Material zu machen. „Licht war für mich schon immer eine spirituelle Sache, … weniger um Dinge zu beleuchten, sondern eher wegen der Dinge, die Licht enthalten.“ Neugierig schaute er den Glasbläsern immer wieder zu, um herauszufinden, was mit Glas alles möglich ist. Das Glasblasen hat Bremers aber selber nie erlernt. Zur Realisierung seiner Kunst sucht er sich Partner und vergleicht diese Zusammenarbeit mit Musik: Der Dirigent und das Orchester interpretieren die Komposition. Im gemeinsamen Voranschreiten aller Beteiligter kann etwas entstehen, das jeder für sich allein nicht erreichen könnte.

Ein weiterer wichtiger Zugang zum Werk Peter Bremers ist seine Reiselust, die ihn durch alle Kontinente führte, in den 1990er Jahren vor allem nach Südostasien und Ozeanien, nach Bali, Borneo oder den Cookinseln. Natureindrücke wie die Urwälder an den Hängen von Vulkanen, sich wiegende Reisfelder und im Licht schillernde Wasserflächen mit all ihren Spiegelungen haben ihn tief bewegt und für die weitere künstlerische Arbeit inspiriert. „Es hat mich wie ein Schlag getroffen! … Ich begann darüber nachzudenken, die Natur als einen absoluten spirituellen Ausdruck zu verstehen, viel tiefer als die von Menschen gemachte Religion.“ Im Zentrum von Bremers folgender Arbeit steht nicht eine eins-zu-eins Reproduktion seiner Naturbeobachtungen, sondern die Verarbeitung dieser Erfahrungen und deren Übersetzung in Skulpturen. Angela van der Burght spricht davon, dass Bremers seine Aufgabe als Künstler zudem darin sieht, sein Erstaunen über die Dinge, die er auf seinen Reisen erlebt, mittels seiner Glasobjekte mit anderen zu teilen.

Wie kann das überwältigende Gefühl in Anbetracht der Vielfalt an Formen in der Natur und der durch Licht und Schatten in unendlicher Vielfalt changierenden Farbenfülle in ein Kunstwerk übertragen werden? Diese Frage war der Beginn der engen Zusammenarbeit mit Neil Wilkin, einem der besten Glasbläser Englands. Sie griffen die in Schweden entwickelte Graal-Technik auf: Ein Posten Glas wird mit mehreren Farbschichten überzogen, die nach dem Abkühlen kalt durch Gravieren, Sandstrahlen oder Ätzen partiell wieder abgetragen werden, so wie es dem Konzept des Künstlers sowie seinem Farb- und Formempfinden entspricht. Anschließend wird das Glas wieder aufgetempert, mit farblosem Glas überstochen, aufgeblasen und erhält dann erst seine endgültige Gestalt. So entstanden großformatige Gefäßobjekte, deren Wandung das flirrende Wechselspiel der Farben in der Natur auf beeindruckende Weise umsetzt: die vielen Grüns des Waldes, farbenfrohe Früchte und immer wieder Spiegelungen auf Wasseroberflächen. Höhepunkt sind Arbeiten in einer von beiden entwickelten Doppelgraal-Technik, die nach der ersten Kaltbearbeitung erhitzt umgestülpt sind, um dann ein zweites Mal kalt bearbeitet zu werden. Die ineinander übergehenden Farbwirkungen konnten so noch einmal gesteigert werden. Der Titel dieser Werkgruppe lautet „Metamorphosis“. Er bezieht sich auf die Verwandlung der Naturerscheinungen im wechselnden Licht, auf die Verwandlung der Erfahrung davon in Kunst und gleichermaßen auf die Verwandlung des emotional gepackten Beobachters, der durch die intensive Naturerfahrung ein anderer wird: „Es geht darum, sich selbst zu finden, reflektiert durch die Umwelt.“

Eine neue Phase begann 2001 mit einer Reise in die Antarktis. Danach entstanden Graalgefäße in wässrigen Farben und mit rissigen Mustern, mit denen Bremers das Spiel des Lichts im Eis verarbeitet hat. Doch schnell wurde ihm klar, dass ein Eisberg nicht aus Glas geblasen werden kann. Die aus der Tiefe des Eises hervorschimmernden Farben können so nicht adäquat umgesetzt werden. Um zu einer tieferen Ebene im Umgang mit den Formen und Farben der Antarktis zu gelangen, musste er seine Vorgehensweise ändern und fand zurück zu seinen Anfängen als Bildhauer. Er trägt jetzt von Bauschaumplatten Material ab und formt so Vorlagen für seine Glasskulpturen, die, umgesetzt in Hohlformen aus Gips und Silizium, in großen Elektroöfen formgeschmolzen werden. Neue Partner wurden vor allem der Deutsche Michael Behrens und in Tschechien Zdeněk Lhotský mit seiner auf Formschmelztechniken spezialisierten Werkstatt, der auch für zahlreiche weitere Künstler arbeitet. Auch die seit 2004 in Formschmelz-Technik entstandenen Arbeiten der Werkgruppe „Icebergs and Paraphernalia“ sind nicht als dekorative Naturzitate zu verstehen, sondern wie die der „Metamorphosis“- Serie als Ausdruck des Gefühls von einem Wunder angesichts der ehrfurchtgebietenden Kraft und Majestät der Natur. Sie „bündeln Kraft und Schönheit“ und bringen Bremers „sehr persönliche Erfahrungen in konzentrierten Kernformen zur Anschauung“, wie Helmut Ricke schreibt.

Bremers Kunst wirkt manchmal ein klein wenig wie aus der Zeit gefallen. Der auf den großen Ausstellungen gezeigten konzeptionellen Kunst, die vor allem mit Videoarbeiten, Performances und Installationen oft höchst politisch erscheint, die hässliche Seite gesellschaftlicher Zustände hinterfragt, setzt er bewusst Schönheit entgegen: schöne Formen mit mal sanft geschwungenen und mal kraftvollen Linien. Durch das Glas erhalten sie eine Tiefe und intensive Farbwirkung, wie sie kein anderes Material hervorbringt. Dennoch können diese Skulpturen nicht als dekorativ-oberflächlich abgetan werden. Es geht Bremers um das Thema der Erfahrung: Wodurch mache ich tief gehende Erfahrungen? Wie verarbeite ich sie? Was macht das mit mir? Und was mit anderen? Die künstlerische Arbeit mit diesen Fragen hat er in den letzten Jahren permanent weiterentwickelt und sich dabei von der Naturbeobachtung als Ausgangspunkt gelöst. Statt dessen stellt er zunehmend die innere Verarbeitung von Erfahrung in den Mittelpunkt. Viele Arbeiten der Werkgruppe „The Inward Journey“ (2011) enthalten wie „Perception I-VII“ Durchbrüche unterschiedlicher Form, die auf die Brillen unserer persönlichen Wahrnehmung verweisen, mit denen wir die Welt betrachten. Andere Skulpturen thematisieren die Abdrücke, die wir hinterlassen oder auch in uns weitertragen („Imprint“). Die Prozesshaftigkeit der Verarbeitung von Erfahrungen ist in der „Transformation“-Serie (2013) visualisiert, mal langsam und kontinuierlich voranschreitend, mal in rhythmischen Wellen und dann in abrupten Brüchen. Zuletzt forderte Bremers in einer zweiteiligen Ausstellung in Fort Wayne, IN, USA, die Besucher, einen Blick hinter den Spiegel der eigenen Wahrnehmung zu tun: Zum einen präsentierte er dreizehn in Form und Größe identische Arbeiten, die sich nur durch ihre unterschiedlichen Materialien Glas, Stein und Metall unterscheiden („Perception“). Beim Vergleich wird der Blick anders fokussiert, als beim Betrachten völlig unterschiedlicher Werke. So gerät das Wechselverhältnis von Wirkung und individueller Wahrnehmung in den Blick, das zu hinterfragen ist. Und dafür liefert der Künstler im zweiten Ausstellungsteil einen Rahmen. Mit sieben großformatige Stelen visualisiert er Ebenen menschlicher Existenz („7 Bodies“): den physischen Körper, den mentalen, den emotionalen, den atmosphärisch-energetischen, den spirituellen, den kreativen und den ätherisch-vergeistigten Körper, der bereits vor unserer Geburt existierte und über unseren Tod hinaus Bestand hat.
Uwe Claassen

Skulptur: Graal

Achilles-Stiftung